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Bindungstheorie

Die Bindungstheorie beschreibt in der Psychologie das Bedürfnis des Menschen, eine enge und von intensiven Gefühlen geprägte Beziehung zu Mitmenschen aufzubauen. Die Bindungstheorie wurde von dem britischen Kinderpsychiater John Bowlby und der kanadischen Psychologin Mary Ainsworth entwickelt.

Der Gegenstand der Bindungstheorie ist der Aufbau und die Veränderung enger Beziehungen im Laufe des Lebens. Die Bindungstheorie geht dabei von dem Modell der Bindung der frühen Mutter-Kind-Beziehung aus. Sie verbindet ethologisches, entwicklungspsychologisches, psychoanalytisches und systemisches Denken.

Eines der großen Anliegen Bowlbys innerhalb der Bindungstheorie war es, eine wissenschaftliche Basis für den psychoanalytischen Ansatz der Objektbeziehungstheorien herzustellen und psychoanalytische Annahmen empirisch überprüfbar zu machen. Dabei entfernte er sich im Laufe seiner Forschungsarbeit von der Psychoanalyse: Die Bindungstheorie wurde zu einer eigenständigen Disziplin.

Die Bindungstheorie weist Verbindungen zur Systemtheorie und zur kognitiven Psychologie auf und hat einen großen Beitrag zur Familientherapie]und kognitiven Therapie geleistet.

Entwicklung der Bindungstheorie

Bowlby bezieht sich ausdrücklich in seiner Bindungstheorie auf Charles Darwin wenn er sagt, dass jeder Mensch mit den Verhaltenssystemen ausgestattet ist, die das Überleben der Spezies sichert. Dazu gehört beim Kind das so genannte Bindungsverhalten. A. Slade, ein Psychoanalytiker, Bindungsforscher sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut aus England, fasste diese Ansicht zusammen:

  • Das Kind hat eine angeborene Prädisposition, sich an seine Bezugsperson zu binden.
  • Das Kind wird sein Verhalten und Denken so organisieren, dass diese Bindungsbeziehung, die den Schlüssel zu seinem psychologischen und physischen Überleben bildet, aufrechterhalten bleibt.
  • Häufig wird das Kind solche Beziehungen um den hohen Preis eigener Funktionsstörungen aufrechterhalten.
  • Die Verzerrungen im Fühlen und Denken, die einer frühen Bindungsstörung entstammen, entstehen meistens als Antworten des Kindes auf die Unfähigkeit der Eltern, seinen Bedürfnissen nach Wohlbefinden, Sicherheit und emotionaler Beruhigung Rechnung zu tragen.

In den Grundzügen seiner Bindungstheorie bezog sich Bowlby besonders auf die von Charles Darwin begründete Ethologie (vergleichende Verhaltensforschung). Ab Mitte der 1950er Jahre bezog er sich vor allem auf Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen, die mit Hilfe von Experimenten mit Tieren deren angeborenes Verhalten untersuchten. Bowlby stellte die Vermutung an, dass Menschen ebenso mit angeborenen Verhaltensweisen ausgestattet sind wie andere Säugetiere und Vögel. Er knüpfte auch an lerntheoretische Forschungen an, die beispielsweise mit Rhesusaffenkindern gemacht wurden. Lerntheoretische Forscher hatten herausgefunden: Affenjunge suchen die körperliche Nähe zu Mutterattrappen, die mit Fell bedeckt sind, sie aber nicht füttern, jedoch nicht zu Drahtattrappen, die sie zwar füttern, aber nicht mit Fell bedeckt sind. Damit war für Bowlby die klassisch psychoanalytische und die lerntheoretische These widerlegt, dass die Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Kind hauptsächlich durch das Füttern bestimmt ist. Das nahmen die beiden Theorien damals an.

Bowlby stellte verschiedene Spekulationen an, welchen evolutionsbedingten Vor- oder Nachteil die körperliche Nähe zu oder die körperliche Trennung von einem Muttertier (oder einer Gruppe) für das Individuum haben könnte. Er kam zu dem Schluss, dass es sich bei diesem Verhalten wahrscheinlich um einen evolutionsbedingten Schutz vor Raubtieren handelt. Auch Erwachsene fühlen sich in ungewohnten Situationen in der Nähe einer Bezugsperson oder in der Gruppe sicherer. Dies hat vor allem für Jungtiere und Kinder eine Bedeutung, da sie bei der Trennung von der Mutter besonders gefährdet wären.

Spätere Forschungen bestätigten indirekt seine Theorie. Allerdings brachten erst die Experimente der Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth einen zuverlässigeren Beweis für die Bindungstheorie. Ainsworth entwickelte eine experimentelle Situation, in der sich unterschiedliche Qualitäten des Bindungsverhaltens bei Menschenkindern nachweisen ließen.

Da die Bindungstheorie auf starke Kritik von psychoanalytischer Seite, insbesondere von den so genannten Kleinianern stieß, wurde Bowlby zunächst nicht mehr beachtet. Erst in den letzten 20 Jahren herrscht erneut reges Interesse von Seite der Psychoanalyse an der Bindungstheorie.

Die Bindungstheorie gehört heute zu den etablierten Theorien innerhalb der Psychologie. Viele Forscher untersuchen Bindung und Interaktion von Eltern und Kindern und ziehen daraus Rückschlüsse auf normale und pathologische Entwicklungen. Eine inzwischen international beachtete deutsche Forscherin auf diesem Gebiet ist Liselotte Ahnert.

Grundlagen der Bindungstheorie

Bindung (engl.: attachment) ist die Bezeichnung für eine enge emotionale Beziehung zwischen Menschen. Das Neugeborene entwickelt eine spezielle Beziehung zu seinen Eltern (insbesondere der Mutter) oder anderen dauerhaften Bezugspersonen. Diese Bindung soll das Kleinkind dazu veranlassen, im Falle einer objektiv vorhandenen oder subjektiv erlebten Gefahr oder Bedrohung, Schutz und Beruhigung bei seinen Bezugspersonen zu suchen und einzufordern. Bezugspersonen oder Bindungspersonen sind die Erwachsenen oder älteren Personen, mit welchen das Kind den intensivsten Kontakt in seinen ersten Lebensmonaten hatte.

Das Bindungsverhalten besteht aus verschiedenen beobachtbaren Verhaltensweisen wie Lächeln, Schreien, Festklammern, Zur-Mutter-Krabbeln, Suchen der Bezugsperson usw. Diese Verhaltensweisen werden als ein Verhaltenssystem beschrieben. Es ist genetisch vorgeprägt und bei allen Primatenkindern, besonders beim Menschen, zu finden. Konkretes Bindungsverhalten wird nur in Alarmsituationen aktiviert, beispielsweise wenn eine Bezugsperson fortgeht oder zu weit entfernt ist. Auch können Bindungsverhaltensweisen beobachtet werden, wenn eine Bezugsperson zurückkehrt oder Bittsignale um Schutz und Sicherheit abweist, eine Situation nicht vertraut ist oder das Kind sich aus irgend einem Grund (Angst, Schmerz, Krankheit) unwohl fühlt.

Nähe zur Bindungsperson oder körperlicher Kontakt über eine kurze Zeit beenden i. d. R. das Bindungsverhalten. Hierbei sucht das Kind Blick- oder Körperkontakt zu der Bezugsperson oder hält sich in der unmittelbaren Nähe der Bezugsperson auf. Andere Verhaltensweisen wie das Erkundungs- oder exploratives Verhalten können nun beobachtet werden.

Exploratives Verhalten ist dem Bindungsverhalten komplementär zugeordnet. Fühlt das Kind sich bindungssicher, wagt es sich von der Bezugsperson weg, und erkundet Gegenstände und Personen in der Umgebung. Allerdings rückversichert es sich häufig durch Blicke zu der sicheren Ausgangsbasis, der Bezugsperson. Das explorative Verhalten bildet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Autonomie des Kindes.

Bindungstheorie

Bindungstheorie: Das Bindungsverhalten verändert sich im laufe des Lebens. Bei älteren Kindern und Erwachsenen ist das „ursprüngliche“, direkte Bindungs- und explorative Verhalten aus Annäherung und Entfernung von Bindungspersonen nicht mehr offensichtlich beobachtbar. Dennoch konnte die Bindungstheorie verschiedene Zusammenhänge zwischen frühem Bindungsverhalten und dem Verhalten von älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen finden. Der in der frühen Kindheit erworbene Bindungstyp findet einen Niederschlag in der Psyche, d. h. dass es sich bei der Bindung nicht nur um ein Verhaltenssystem handelt, sondern dass auch psychologische Auswirkungen zu finden sind. Bowlby sprach hier von „inner working models“. Dies sind Erwartungen, die ein Mensch an die Verlässlichkeit von Bezugspersonen entwickelt hat, und auch auf andere, aktuelle Beziehungen überträgt. Psychoanalytische Forscher, die sich später mit der Bindungstheorie auseinandergesetzt haben, sprechen von psychischen Repräsentanzen, also Bindungsrepräsentanzen. Kognitionspsychologen würden eher von Schemata, also Bindungsschemata sprechen.

Wichtig im Zusammenhang mit der Bindungstheorie erscheint, dass Bindung nicht eine Eigenschaft des Kindes (oder der Bindungsperson) allein darstellt: Die sich entwickelnden Bindungstypen sind vielmehr ein Merkmal der Eltern-Kind-Beziehung, also eine zwischenmenschliche Qualität, die von beiden Beteiligten getragen wird. Welches Bindungsverhalten das Kind entwickelt ist daher nicht allein ein Spiegelbild seines Temperaments oder Charakters, sondern spiegelt ebenso Verhaltensweisen und Merkmale der Bezugsperson.

Der Begriff Interaktion (synonym: Wechselwirkung) ist eine Bezeichnung dieses zwischenmenschlichen, wechselseitigen Verhaltens. In der Sozialpsychologie bezeichnet der Begriff heute jede Art der Wechselwirkung oder wechselseitiger Bedingtheit im sozialen Verhalten. Er wurde zuerst von John Bowlby in seinem Aufsatz „Über das Wesen der Mutter-Kind-Bindung“ im Zusammenhang mit dem Sozialverhalten verwendet. Die Bindungstheorie konzentriert sich darauf, dieses spezielle Interaktionsverhalten empirisch fassbar zu machen.

Dabei wird innerhalb der Bindungstheorie der Zusammenhang zwischen der Mutter-Kind-Interaktion und der Entwicklung individueller Merkmale des Kindes erforscht. Auch die individuellen Merkmale der Bezugsperson, die einen Beitrag zu der Etablierung bestimmter, zu unterscheidender Bindungstypen beim Kind haben, werden untersucht.

Laut der Bindungstheorie entwickelt sich Bindungsverhalten im ersten Lebensjahr. Bis zum dritten Lebensmonat kann hierbei die Bindungsperson beinahe beliebig wechseln. Später entsteht eine feste Bindung zu einer oder mehreren Personen (bspw. Mutter, Vater, Geschwister oder Amme). Sobald das Kind die motorischen Fertigkeiten (Lokomotion) entwickelt hat, ist es ab dem siebten bis achten Monat fähig, sich aktiv in die Nähe der Bezugsperson zu bewegen oder die Umgebung selbstständig zu erkunden (Individuationsphase). Auch setzt in dieser Zeit die Objektpermanenz ein, welche es dem Kind ermöglicht eine Vorstellung von einem Objekt zu haben, ohne dass dieses direkt anwesend ist. Ab etwa dem dritten Lebensjahr versucht das Kind das Verhalten des anderen je nach Situation zu beeinflussen.

Das individuelle Bindungsverhalten/der Bindungstyp eines Neugeborenen entsteht durch die Anpassung an das Verhalten der zur Verfügung stehenden Bindungspersonen. Mit seiner Bindungsperson/ seinen Bindungspersonen entwickelt das Kind ein Bindungsverhalten oder eine Bindungsstrategie welche, nachdem sie sich gefestigt hat, weitgehend konstant bleibt. Die stärkste Prägung findet dabei innerhalb der ersten sechs Lebensmonate statt. Allerdings ist eine gewisse Plastizität des Bindungsverhaltens zu beobachten, in dem Sinne, dass dieses Verhalten sich im Verlauf der Kindheit und Jugend mitunter ändert. Später im Erwachsenenalter wird das bis dahin erworbene Bindungsverhalten normalerweise beibehalten und verfestigt sich im ständigen Gebrauch zu einem scheinbaren Wesensmerkmal.

Aus der Bindungstheorie konnten viele empirisch überprüfbare Hypothesen abgeleitet und der Einfluss der frühen Mutter-Kind-Beziehung auf die spätere Entwicklung des Kindes differenziert nachgewiesen werden. Positive und negative Bindungserfahrungen unterliegen einer Verallgemeinerung. Sie werden im weiteren Lebensverlauf auf andere Menschen „übertragen“ („carry over“-Effekt). Für die Psychopathologie konnten beispielsweise signifikante Zusammenhänge zwischen der Bindungsqualität im Alter von einem Jahr und einer Psychopathologie im Alter von sechs Jahren gefunden werden.

Die Bindungstheorie besitzt eine hohe Aussagekraft für die Entwicklung von spezifischen Bindungstypen. So kann beispielsweise mit hoher Wahrscheinlichkeit durch spezifische Testverfahren von Aussagen werdender Mütter über ihr Ungeborenes auf die spätere Entwicklung von bestimmten Bindungstypen der Kinder geschlossen werden. Die Bindungstheorie hat durch ihre empirische Beforschung vor allem emotionaler Zusammenhänge große Auswirkungen auf die Entwicklungspsychologie, Klinische Psychologie und Psychiatrie.

„Fremde Situation“

Mary Ainsworth und ihre Kollegen entwickelten Ende der 1960er Jahre mit der sogenannten „Fremden Situation“ ein Setting zur Erforschung kindlicher Bindungsmuster innerhalb der Bindungstheorie. Mary Ainsworth gelang es, Bowlbys Bindungsmodell in einer standardisierten Situation beobachtbar zu machen. Dafür erdachte sie eine qualitative Testsituation. Hierbei finden 12 bis 18Monate alte Kinder die typischen Gegebenheiten in einer annähernd natürlichen Situation vor, die nach Bowlbys Theorie sowohl Bindungs- als auch exploratives Verhalten aktivieren. Dadurch können Unterschiede im Bindungs- und Explorationsverhalten beobachtet werden.

Der Vorgang wird videotechnisch aufgezeichnet und bewertet. Untersuchungsgegenstand ist in erster Linie die kindliche Reaktion in den Trennungs- und Wiedervereinigungsmomenten, um die individuellen Unterschiede in der Bewältigung von Trennungsstress festzustellen.

Zunächst wurden lediglich drei Ausprägungen von Bindungstypen innerhalb der neuen Bindungstheorie festgestellt, welche sich innerhalb der Interaktion mit der Bindungsperson entwickeln können: sicher, unsicher-vermeidend und unsicher-ambivalent. Erst später wurden Kinder zusätzlich als desorientiert gebunden klassifiziert.

Bindungstheorie: Bindungstypen des Kindes

Es werden heute in der Bindungstheorie meist vier Bindungstypen bei Kindern unterschieden:

  • Sichere Bindung B-Typ: Diese Kinder halten eine angemessene Balance zwischen Nähe zur Bezugsperson und explorativem Verhalten. Sie sind irritiert, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt; beruhigen sich aber schnell wieder; Spielen im Raum auch mit der Testerin; begrüßen die Bezugsperson bei der Wiederkehr und sind leicht zu beruhigen.
  • Unsicher vermeidende Bindung A-Typ: Diese Kinder zeigen eine Pseudounabhängigkeit von der Bezugsperson. Sie wirken auf Außenstehende eher unauffällig. Dennoch leiden sie heftiger unter der Trennung von der Bezugsperson als sicher gebundene Kinder. Sie wirken bei der Trennung mit der Bezugsperson unbeeindruckt; sie spielen eher mit der Testerin als mit der Bezugsperson; bei der Wiederkehr der Bezugsperson ignorieren sie diese meist oder lehnen sie deutlich ab.
  • Unsicher ambivalente Bindung C-Typ: Diese Kinder verhalten sich sehr anhänglich an die Bezugsperson. Sie wirken bei der Trennung deutlich irritiert; sie zeigen Kontaktsuche, Kontakthalten aber auch Gefühlsausbrüche mit Anklammern aber auch Verweigerung bei der Wiedervereinigung mit der Bezugsperson; dabei sind sie nur schwer zu beruhigen.
  • Desorganisierte Bindung D-Typ: Diese Kinder zeigen Zeichen von Desorientierung und der Fluktuation verschiedener Bindungsstrategien. Sie zeigen Kombinationen aus verschiedenen Bindungstypen und bizarre Verhaltensweisen; auch erstarren, im-Kreis-drehen, das intensive Suchen nach Nähe bei ebenso starker Ablehnung der Nähe.

Bindungstheorie: Sichere Bindung

Für die sichere Bindung hat sich auch die Bezeichnung B-Bindung etabliert. Sicher gebundene Kinder entwickeln aufgrund von elterlicher „Feinfühligkeit“, welche durch vorwiegend positive Interaktionen und beständiges, nachvollziehbares Verhalten gekennzeichnet ist, eine große Zuversichtlichkeit in Bezug auf die Verfügbarkeit der Bindungsperson. Diese Kinder weinen durchaus innerhalb der „fremden Situation“. Sie zeigen diese Gefühle deutlich, akzeptieren den Trost einer fremden Frau (einer zum Test gehörenden Untersucherin) im Raum sogar zum Teil. Obwohl die Trennung bei diesen Kindern also mit negativen Gefühlen verbunden ist, vertrauen sie darauf, dass die Bindungsperson sie im Bedarfsfall nicht im Stich lassen oder in irgendeiner Weise falsch reagieren wird.

Die Bindungsperson erfüllt in einer derartigen Bindung die Rolle eines „sicheren Hafens“, der immer Schutz bieten wird, wenn das Kind dessen bedarf. Diese Kinder sind traurig darüber, dass die Bindungsperson nicht bei ihnen ist, gehen aber davon aus, dass sie wieder kommen wird. Kehrt die Bindungsperson in den Raum zurück, freuen sich die Kinder und suchen Nähe und Kontakt, wenden sich aber kurz danach wieder der Exploration des Raumes zu.

Bindungstheorie: Unsicher-vermeidende Bindung

Die hier beschriebenen Kinder, auch A-Bindung genannt, reagieren scheinbar unbeeindruckt, wenn ihre Bindungsperson hinausgeht. Sie spielen, erkunden den Raum und sind auf den ersten Blick weder ängstlich noch ärgerlich über das Fortgehen der Bindungsperson. Durch zusätzliche Untersuchung der physiologischen Reaktionen der Kinder während der Situation wurde jedoch festgestellt, dass ihr Cortisolspiegel im Speichel, was auf Stress schließen lässt, beim Fortgehen der Bindungsperson höher ansteigt, als der sicher gebundener Kinder, welche ihrem Kummer Ausdruck verleihen. Auch ihr Herzschlag beschleunigt sich. Kommt die Bindungsperson zurück, wird sie ignoriert. Die Kinder suchen eher die Nähe der fremden Person und meiden die ihrer Bindungsperson.

Unsicher-vermeidenden Kindern fehlt die Zuversicht bezüglich der Verfügbarkeit ihrer Bindungsperson. Sie entwickeln die Erwartungshaltung, dass ihre Wünsche grundsätzlich auf Ablehnung stoßen und ihnen kein Anspruch auf Liebe und Unterstützung zusteht. Dieses Bindungsmuster ist bei Kindern zu beobachten, die häufig Zurückweisung erfahren haben. Diese Kinder finden einen Ausweg aus der belastenden bedrohlichen Situation des immer wieder Zurückgewiesen-Seins nur durch Beziehungsvermeidung.

Bindungstheorie: Unsicher-ambivalente Bindung

Auch ängstlich-widerstrebende; resistente, ambivalente Bindung auch C-Bindung genannt. Kinder, die hier beschrieben werden, zeigen sich ängstlich und abhängig von ihrer Bindungsperson. Geht die Bindungsperson reagieren die Kinder extrem belastet. Eine fremde Frau wird ebenso gefürchtet wie der Raum selbst. Schon bevor die Bindungsperson hinausgeht, zeigen diese Kinder Stress. Da sie die ungewohnte Situation fürchten, wird ihr Bindungsverhalten schon von Beginn an aktiviert.

Die Kinder reagieren so auf das korrelierende Bindungsverhalten der Bezugsperson: Die Bindungsperson reagiert für das Kind nicht zuverlässig, nachvollziehbar und vorhersagbar. Der ständige Wechsel von einmal feinfühligem, dann wieder abweisendem Verhalten führt dazu, dass das Bindungssystem des Kindes ständig aktiviert sein muss. Es kann schwer einschätzen, wie die Bindungsperson in einer bestimmten Situation handeln oder reagieren wird. Das Kind ist somit permanent damit beschäftigt, herauszufinden, in welcher Stimmung sich die Bindungsperson gerade befindet, was sie will und was sie braucht, damit es sich entsprechend anpassen kann. Dies führt zu einer Einschränkung des Neugier- und Erkundungsverhaltens des Kindes, welches sich auch nicht auf die Exploration des Raumes konzentrieren kann. Diese Kinder können keine positive Erwartungshaltung aufbauen, weil die Bindungsperson häufig nicht verfügbar ist, meist auch nicht, wenn sie in der Nähe ist. Dementsprechend erwarten sie keinen positiven Ausgang der Situation und reagieren extrem gestresst und ängstlich innerhalb der „fremden Situation“.

Bindungstheorie: Desorganisiert/desorientierte Bindung

Bei diesem Bindungstyp hat sich die Bezeichnung Desorganisierte Bindung oder D-Bindung etabliert. Von Marry Ainsworth aufgestellte Typen die dem desorganisierten Bindungstyp ähneln ist die Bindungsambivalent-vermeidende (A/C-Bindung) bzw. unstabil-vermeidende Bindung. Der desorganisierte Bindungstyp wurde erst wesentlich später festgestellt. Mary Main, die auch Erwachsene mit dem AAI (Adult Attachement Interview) untersuchte, führte diese Klassifikation ein. Es gab immer auch Kinder, deren Verhalten sich nicht eindeutig in eine der drei Hauptreaktionsschemata einordnen ließen. Ainsworth und auch nachfolgende Kollegen stuften diese Kinder meist innerhalb der sicheren Kategorie, und einige wenige als vermeidend, ein. Nach Einführung des 4. Bindungstyps (der D-Bindung) wurden die „bisher forciert klassifizierten Fälle[…] erneut gesichtet“ . Ein großer Anteil dieser Kinder wurde schließlich als desorganisiert/desorientierter Bindungstyp klassifiziert. Kinder deren Verhalten diesem Bindungstyp zugeordnet wird, zeigen äußerst unerwartete, nicht zuzuordnende Verhaltensweisen. Dazu gehören Stereotypien und unvollendete oder unvollständige Bewegungsmuster. Desorganisiert gebundene Kinder erschrecken oft wenn ihre Eltern den Raum nach kurzer Trennung wieder betreten, und zeigen eine Mischung von Strategien, wie unsicher-vermeidendes und unsicher-widersetzendes Verhalten. Einige dieser desorganisiert eingestuften Kinder schreien nach ihren Bindungspersonen nach der Trennung, entfernen sich aber bei der Wiedervereinigung von ihnen. Andere reagieren wie gelähmt mit einem benommenen Gesichtsausdruck für 30 Sekunden, und/oder drehen sich im Kreis und/oder lassen sich auf den Boden fallen, wenn sie sich an den jeweiligen Elternteil wenden. Wieder andere desorganisierte Kleinkinder erscheinen ängstlich in der „Fremden Situation“ mit geängstigtem Gesichtsausdruck, hochgezogenen Schultern und/oder einem Einfrieren aller Bewegungen. Die Bindungstheorie geht davon aus, dass ein Kind auf jeden Fall eine Bindung zu seiner Bindungsperson aufbauen muss. Die Bindungsverhaltensweisen werden aktiviert, sobald es Schutz und Unterstützung bedarf oder die Bindungsperson nicht in der Nähe ist. Allerdings konnte das Kind keine einheitliche Bindungsstrategie entwickeln, um Schutz und Trost zu bekommen: wenn die Bindungsperson – der Mensch der Schutz bieten soll – zugleich der Auslöser für das Bindungsverhalten ist, somit selbst die Bedrohung darstellt, gerät das Kind in eine so genannte Double Bind-Situation, aus der es für das Kind keinen Ausweg gibt.

Eine andere Ursache für dieses Bindungsverhalten zeigt sich bei Kindern, deren Bindungspersonen unter den Folgen eigener Psychotraumata leiden. Die traumatischen Erfahrungen zeigen sich den Kindern im verängstigten Verhalten ihrer Bindungspersonen. Die Angst, die sich im Gesicht einer Bindungsperson spiegelt, welche unter Intrusionen (hartnäckiges Eindringen von den traumatischen Bildern und Gefühlen in die Gedanken) leidet, ist für ein Kind erschreckend und aktiviert sein Bindungssystem. Die Quelle der Angst ist für das Kind nicht nachvollziehbar. Die Bindungsperson kann in einer solchen Situation zumeist nicht adäquat auf die Versorgungsbedürfnisse ihres Kindes eingehen. So zeigten manche Mütter beispielsweise das beinahe eine Minute lange Einfrieren aller Bewegungen, oder zeigten sich durch neutrale Verhaltensweisen ihrer Kinder in Angst versetzt. Das Kind erlebt schließlich die Welt ständig als einen bedrohlichen Ort, dessen Schrecken sich in der Bezugsperson widerspiegelt.

Durch die Bindungstheorie konnten langfristige Effekte der frühen Bindungsperson-Kind-Beziehung nachgewiesen werden. Aus der Qualität der Bindung, die beim „Fremde-Situations“-Test bei den 18 – 24 Mon. alten Kindern festgestellt wurde, können einige zutreffende Vorhersagen abgeleitet werden:

Sicher gebundene Kinder zeigen später adäquateres Sozialverhalten im Kindergarten und in der Schule, mehr Phantasie und positive Affekte beim freien Spiel, größere und längere Aufmerksamkeit, höheres Selbstwertgefühl und weniger depressive Symptome. In anderen Studien zeigten sie sich offener und aufgeschlossener für neue Sozialkontakte mit Erwachsenen und Gleichaltrigen, als vermeidende und oder ambivalent gebundene Kinder. Sicher gebundene Jungen zeigten mit sechs Jahren weniger Psychopathologie als die unsicher gebundenen. Auch könnten frühe Bindungserfahrungen, einen neurophysiologischen Einfluss ausüben. Hierbei konnte ein Einfluss von Bindungserfahrungen auf die Ausbildung der Rezeptoren des Hormons Oxytocin gefunden werden, welches wiederum das Bindungsverhalten beeinflusst.

Bindungseinstellung der erwachsenen Bezugsperson

Das Bindungsverhalten konnte in verschiedene Bindungstypen des Kindes eingeteilt werden, wie in der „Fremde Situation“ erforscht werden konnte. Das Kind versucht mit diesen unterschiedlichen Strategien die emotionalen Bedürfnisse, die auf seine Bezugspersonen gerichtet sind, zu regulieren. Welche Reaktionen die Bezugspersonen dem Bindungsverhalten des Kindes gegenüber zeigen, welche Einstellung Erwachsene gegenüber Bindung haben, und wie sich die Ursache für diese Einstellung erklären lässt, ist ein weiteres Interesse der Bindungsforschung. Obwohl bei 12 – 36 Monate alten Kindern das Bindungsverhalten leicht zu beobachten ist, ist dies bei älteren Kindern und Erwachsenen schwieriger. Das primäre Bindungsverhalten aus Annäherung und explorativem Verhalten kann dann nicht mehr beobachtet werden. Ab dem Vorschulalter sind aber zumeist Einstellungen gegenüber Bindungen zu finden oder es ist möglich, die Einbeziehung von vergangenen Bindungserfahrungen in die persönliche Lebensgeschichte zu erfragen.

Neben der von Ainsworth eingeführten „Fremde Situation“- Untersuchungsmethode wurden weitere Interviewverfahren und spezifische Testverfahren für Kinder und Erwachsene entwickelt, um die Bindung im Lebensverlauf beurteilen zu können. Zu den Forschungsinstrumenten gehört vor allem das Adult Attachment Interview (AAI) (Erwachsenen – Bindungs – Interview) von Mary Main. Zur Untersuchung bei Erwachsenen. Für ältere Kinder zwischen dem achten und dreizehnten Lebensjahr wurde das „Child Attachment Interview“ (CAI) konzipiert.

Für Kinder im Vorschulalter und frühen Schulalter steht ein Test zur Verfügung, der mit Hilfe von vorgegebenen Geschichten, die im Spiel ergänzt werden, auf den Bindungstyp des Kindes schließt. Zur Forschung steht der Bindungstheorie auch die Beobachtung der Mutter-Kind-Interaktion als Mittel zur Verfügung, die ein genaues Bild vom Verhalten der Bindungspartner in der entsprechenden Situation geben kann.

Die hinter dem Verhalten liegende kognitive und emotionale Einstellung der Erwachsenen Interaktionspartner wird in der Bindungsforschung mit einem innovativen Testverfahren ausgewertet, dem „Adult Attachment Interview“ (AAI).

Das Adult Attachment Interview ist ein halbstandardisiertes Interview, mit dem sowohl die kognitiven als auch die emotionalen Erfahrungen eines Erwachsenen mit seinen Bindungspersonen bewertet werden können. Das besondere des Testes ist, dass nicht die Beschreibungen der Erwachsenen über ihre frühen Kindheitserfahrungen ausgewertet werden, sondern die Kohärenz der Aussagen über diese Zeit und die heutige Einstellung gegenüber Bindung.

Es wird also bewertet, in wie weit Erwachsene logisch und zusammenhängend von ihrer damaligen und heutigen Situation berichten können. Hierbei spielt es keine Rolle, in wie weit traumatische Erfahrungen tatsächlich gemacht wurden, sondern durch die Kohärenz der Erzählungen kann darauf geschlossen werden, in wie weit die Erfahrungen der Kindheit für die aktuellen Situation verarbeitet werden.

Hierbei gelten die kurze, zusammenhängende und logische Beschreibung der vergangenen Erfahrungen und der heutigen Einstellungen als Kohärent.

Mit dem Adult Attachement Interview lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Bindungstyp des Kindes und der „Bindungseinstellung“ der Bezugsperson nachweisen. So gibt es Untersuchungen in denen, durch die Testung schwangerer Erstgebärender, ein Zusammenhang zwischen der Bindungseinstellung der Mütter und dem Bindungstyp des Kindes gefunden wurden. Es konnte eine Vorhersage von bis zu 80 Prozent zwischen den Aussagen der werdenden Mütter und deren Klassifikation der „Erwachsenen Bindungseinstellung“ und dem sich entwickelnden Bindungstyp des – zu diesem Zeitpunkt noch ungeborenen – Kindes gefunden werden. Hierfür wurden die Kinder zu einem späteren Zeitpunkt mit der „fremden Situation“ bewertet.

Aus dem Adult Attachement Interview konnten einige Klassifikationen von „Bindungseinstellungen“ erarbeitet werden. Diese wurden wiederum in Verbindung mit den Bindungsverhalten von Kindern in der Fremde Situation gesetzt. Dieser Forschungsgegenstand geht auf den von Bowlby eingeführten Begriff der „inner working models“ zurück, also den psychischen Auswirkungen der Bindungserfahrungen.

Bindung Erwachsener und die Auswirkungen auf die Bindungsqualität ihrer Kinder

Bestimmte Klassifikationen von Bindungsrepräsentanzen oder Bindungschemata, die bei der Durchführung des Adult Attachment Interviews gefunden wurden, konnten bestimmten Bindungstypen Ihrer Kinder zugeordnet werden, die ebenfalls in der „fremden Situation“ untersucht wurden:

Bindungstheorie: Autonome Bindungseinstellung

Auch „free-autonomous“ oder mit „F“ abgekürzt. Diese Bindungspersonen werden als solche mit Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz, Respekt und Empathiefähigkeit beschrieben. Sie sind sich der negativen wie positiven Affekte und Einstellungen gegenüber ihren eigenen Bindungspersonen bewusst und reflektieren diese in angemessener Weise und Distanz. Eine unbewusste Identifikation mit ihren Eltern zeigt sich kaum – die eigene Eltern-Kind-Beziehung wird realistisch betrachtet und nicht idealisiert.

Diese Elternteile hatten zumeist selbst Bezugspersonen mit einer autonomen Bindungseinstellung oder haben ihre sichere Bindung im Laufe ihrer Biographie durch die Möglichkeit zu alternativen Beziehungserfahrungen mit anderen, nicht primären Bindungspersonen, durch einen Partner oder zum Beispiel mit Hilfe einer psychotherapeutischen Unterstützung erhalten.

Diese Eltern reagieren vorhersehbar auf ihre Kinder und können angemessen auf das Bindungsverhalten ihrer Kinder eingehen.

Bindungstheorie: Distanziert-beziehungsabweisende Bindungseinstellung

Auch „dismissing“ oder mit „Ds“ abgekürzt. Erwachsene mit dieser Bindungsrepräsentanz können sich kaum an ihre eigene Kindheit erinnern, was bedeutet, dass sie viel verdrängt haben. Tendenziell idealisieren sie ihre Eltern und deren Erziehungsmethoden, wenngleich keine konkreten Situationen aufgezählt werden können, welche diese Idealisierung rechtfertigen. Berichtet wird hingegen von mangelnder elterlicher Unterstützung sowie von Zurückweisung (offen oder verdeckt) der kindlichen Bedürfnisse. Die Erwachsenen mit einer distanziert-beziehungsabweisenden Bindungseinstellung verleugnen die Bedeutung ihrer eigenen Erfahrungen mit den Eltern und deren Folgen für die Färbung ihrer jetzigen Affekte. Sie zeigen ein sehr großes Unabhängigkeitsbestreben und verlassen sich lieber auf die eigene Stärke. Sie formulieren, die fehlende Hilfe nicht vermisst zu haben und diesbezüglich auch keine Wut oder Trauer zu verspüren.

Kinder dieser Erwachsenen können eher mit affektiver Unterstützung und Einstellung auf ihre Bedürfnisse rechnen, wenn sie versuchen, eine Aufgabe zu bewältigen. Die Kinder werden früh unter Leistungsdruck gesetzt. Den Ergebnissen des „Adult Attachment Interviews“ zufolge, gefällt es diesen Müttern, wenn die Kinder Anhänglichkeit zeigen. Allerdings neigen sie dann dazu, das Kind zu ignorieren, wenn es Beruhigung und Unterstützung braucht.

Bindungstheorie: Präokkupierte, verstrickte Bindungseinstellung

Auch „entangeld-enmeshed“ oder mit „E“ abgekürzt. Diese Einstellung haben häufig Menschen, welche von den Erinnerungen an die eigene Kindheit flutartig überschüttet und permanent belastet sind. Die Probleme und Schwierigkeiten innerhalb der Beziehung zur eigenen Bindungsperson konnten sie nicht verarbeiten; sie überbewerten sie und pendeln zwischen Gefühlen wie Wut und Idealisierung hin und her. Letztlich stehen sie noch immer in einer Abhängigkeitsbeziehung zu den eigenen Bindungspersonen und sehnen sich nach deren Zuwendung und Wiedergutmachung.

Die Mütter von Menschen mit dieser Bindungsrepräsentanz waren in den häufigsten Fällen „schwach“ und „inkompetent“ und konnten dementsprechend in Bedrohungssituationen, in denen ihre Kinder das Bindungssystem aktivierten, weder Schutz noch Beruhigung bieten. Kann die Mutter (oder entsprechende Bindungsperson) die Angst ihres Kindes nicht beseitigen, kommt es zu vermehrtem Anklammern. Die Ablöseprozesse beim Kind werden auch deshalb als besonders erschwert gesehen, weil die „schwache“ Mutter das Kind häufig parentifiziert und es daher schließlich das Gefühl hat, die Mutter versorgen zu müssen. Kindern solcher Eltern wird durch Verwöhnung und/oder durch das Hervorrufen von Schuldgefühlen verwehrt, sich explorativ zu verhalten und Wut, Aggressionen, Trotz und Unabhängigkeitsbestreben zu zeigen. Dadurch ist die Identitätsentwicklung der Kinder erschwert.

Bindungstheorie: Von unverarbeitetem Objektverlust beeinflusste Bindungseinstellung

Auch „unresolved“ oder mit „U“ abgekürzt. Bindungspersonen, die unter einem unverarbeiteten Trauerprozess leiden oder nicht verarbeitete Erfahrungen von Misshandlung oder sexuellem Missbrauch erlebten, haben sehr häufig Kinder des desorganisierten Bindungstyps. Als Erklärung dient die Annahme, dass Bindungspersonen, welche unter Traumatisierungen leiden, keinen Schutz bieten können, bei ihren Kindern jedoch verhältnismäßig oft das Bindungsverhalten aktivieren, da sie ausgeprägte Furcht vor einem Grauen zeigen, welches für das Kind nicht greifbar ist. Wenn die traumatisierte Bindungsperson das Kind unter Umständen misshandelt, missbraucht, permanent beschämt etc., wird sie nicht zu einer vor Gefahren schützenden Instanz für das Kind, sondern selbst zu einer Quelle der Angst und Gefahr.

Auch hier kommt es häufig zu einer Parentifizierung der Kinder durch ihre Eltern. Mütter mit einer Bindungsrepräsentanz dieses Typs überlassen ihren Kindern die Führung in der Beziehung in ungewöhnlichem Ausmaß. Generationsgrenzen werden überschritten und die Kinder fühlen sich in der Pflicht, ihre Eltern zu versorgen und ihr psychisches wie auch physisches Wohl zu sichern.

Bindungstheorie: Nicht klassifizierbarer Bindungstyp (CC)

Innerhalb der Untersuchungen zum AAI wird diskutiert, eine weitere Kategorie für nicht zuzuordnende Erwachsene zu schaffen. Diese sind gekennzeichnet durch:

  • Der Proband wechselte im AAI zwischen distanziertem und präokkupiertem Bindungstyp, ohne dass eine klare Strategie zu erkennen war.
  • Meist stellten die Untersuchten schwerwiegende traumatische Erfahrungen dar.
  • Sie zeigten häufig zutiefst negative Einstellung gegenüber Bindung.
  • Sie verfügten über unvereinbare Denk- und Verarbeitungsstrategien.

Bindungstheorie: Zusammenhänge zwischen der Bindung Erwachsener und kindlichen Bindungstypen

Wie zu erwarten zeigten sich bei der Untersuchung sowohl der Eltern als auch der Kinder statistische Zusammenhänge, welche die Bedeutung der Bindungsrepräsentanzen bei den Eltern für die Entwicklung von bestimmten Bindungstypen bei den Kindern haben.

  • Autonom klassifizierte Eltern hatten häufiger sicher gebundene Kinder.
  • Beziehungsabweisende (Distanzierte) eher vermeidend gebundene Kinder.
  • Verstrickte Eltern eher ambivalente Kinder.
  • Eltern, die unter einem unbewältigten Trauma leiden haben vermehrt desorganisierte gebundene Kinder.

Hierbei liegt die Übereinstimmung der Ergebnisse besonders hoch bei der sicher gebundenen Gruppe). Autonome Eltern haben mit 75 bis 82 Prozent sicher gebundene Kinder. Die anderen Gruppen liegen etwas darunter.

Bindungstheorie: Modifikation des Konzepts Bowlbys in der neueren Forschung

John Bowlby vertrat innerhalb seiner Bindungstheorie auf der Grundlage seiner empirischen Befunde strikt die These, dass für den Aufbau einer stabilen Bindung die Beziehung des Kindes zu einer zentralen Bindungsperson (normalerweise die Mutter) konstitutiv sei. Neuere Forschungen innerhalb der Bindungstheorie haben zu der Auffassung geführt, dass Kindern ein solcher Bindungsaufbau auch dann gelingt, wenn gleichzeitig Beziehungen zu mehreren Bindungspersonen bestehen.

Dies betrifft in erster Linie eine Aufwertung der Bedeutung des Vaters, ist aber auch in solchen Konstellationen von Bedeutung, wo im Falle berufstätiger Mütter neben die leibliche noch eine Pflegemutter tritt, zu der Kinder oft intensive Beziehungen aufbauen. Hierbei wird jedoch beobachtet, dass das Kind eine deutliche Unterscheidung zwischen den verschiedenen Bindungspersonen vornimmt, indem es ihnen unterschiedliche Funktionen zuordnet (z.B. bleibt die leibliche Mutter häufig die zentrale Bindungsperson, an die das Kind sich vorrangig wendet, wenn es sich schlecht fühlt).

Interessanterweise scheinen selbst sehr kleine Kinder in der Lage zu sein, die Bindung zu einer Tagesmutter in einer Kindertagesstätte auf einen funktionalen Aspekt zu reduzieren, sofern sie zu ihren primären Bindungspersonen eine sichere Bindung aufgebaut haben. Als Indiz für diese Annahme dient die Beobachtung, dass sicher gebundene Kinder ihr Verhalten in der Kindertagesstätte nicht oder nur geringfügig ändern, wenn sie es mit einer anderen als der gewohnten Betreuungsperson zu tun haben. Gerade bei der Eingewöhnung der Kinder in die anfangs ungewohnte Situation in einer Kindertagesstätte zeigt sich zugleich die Richtigkeit von Bowlbys Konzept einer primären Bindungsperson: Die Eingewöhnung gelingt nachweislich besser, wenn das Kind in der Anfangsphase von der Mutter begleitet und somit schonend in die neue Situation eingeführt wird.

Auch zeigte sich innerhalb der neuen Bindungstheorie, dass nicht die Quantität der Beziehung zu einer oder mehreren Bezugspersonen ausschlaggebend für die Entwicklung einer bestimmten Bindung ist, sondern die Qualität. Bowlby nahm in seiner Bindungstheorie an, dass die ständige Verfügbarkeit der Bezugsperson in den ersten Lebensjahren unabdingbar ist, damit das Kind eine sichere Bindung entwickeln kann. Die Entwicklung der Bindung hängt aber nicht von der ständigen Anwesenheit der Bezugsperson ab, sondern von der entwickelten Qualität der Bindung. Diese Ergebnisse der Bindungsforschung innerhalb der Bindungstheorie hätten auch Auswirkungen auf die aktuelle Diskussion um den Besuch einer Kinderkrippe von Kleinkindern nach dem ersten Lebensjahr.

Bindungstheorie: Psychopathologie und Interaktionsverhalten

Bowlby sah in der längeren Trennung von Kindern und ihren Bezugspersonen einen Ausgangspunkt für eine pathologische Entwicklung. Er ging davon aus, dass länger dauernde Trennungen von einer Bindungsperson einen Trauerprozess auslösen, im Zuge dessen die Trennung mehr oder weniger gut verwunden wird und der in mehreren Phasen verläuft. Ziel des Trauerprozesses ist es, die Abwesenheit der Bindungsperson zu akzeptieren. Eine normale Auswirkung der Trauer sah er in der unrealistische Suche nach der Bezugsperson sowie in der Aggression und Wut, die sich auch stark auf die verlorene Bezugsperson richtet.

Einer oder mehrere Beziehungsabbrüche können bei Kindern dazu führen, generell keine engere Beziehung mehr aufzunehmen oder ein stark ambivalentes Verhältnis zu nahen Beziehungen zu entwickeln. Bowlbys therapeutischer Ansatz für Erwachsene, den er deutlich von der klassischen Psychoanalyse abhob, bestand darin, diesen Trauerprozess mit den auftauchenden ambivalenten Gefühlen im Beisein eines verständnisvollen Psychotherapeuten zu durchleben. Bowlby sah auch den Therapeuten dabei als Bindungsperson. Bei Kindern sah er es als bedeutende präventive Maßnahme an, sie in der frühen bis mittleren Kindheit möglichst nicht lange von den Eltern zu trennen. Sollte eine solche Trennung unvermeidlich sein, sollte den Kindern ein möglichst stabiles Umfeld geboten werden.

Auf Bowlbys Bindungstheorie geht auch das heute in westlich orientierten Ländern zum Standard der Kindermedizin gehörende Rooming zurück – also die Möglichkeit, dass die Mutter während des Krankenhausaufenthaltes bei ihrem Kind bleibt.

Nachdem Bowlby und Ainsworth zunächst nur das Bindungsverhalten von „normalen“ Kindern untersuchten, konzentrierte sich die Forschung seit Mitte der 1980er Jahre auch auf die Untersuchung von Risikogruppen. Dazu gehörten z.B. die Kinder von schizophrenen oder depressiven Müttern. Außerdem wurden Eltern-Kind-Paare untersucht, in denen es nachweislich zu Misshandlungen oder Vernachlässigungen gekommen war. „Sämtliche Arbeiten stimmen dahingehend überein, dass misshandelte Kinder wesentlich häufiger unsicher gebunden sind als Kinder einer vergleichbaren Kontrollgruppe.“

Nachdem die desorganisierte „D“- (nach Main) oder ambivalent-vermeidende „A/C“-Bindung (nach Ainsworth) als Klassifizierung eingeführt wurde, konnten noch deutlichere und genauere Vorhersagen über das Bindungsverhalten gemacht werden. Vor der Einführung der neuen Bindungsklassifizierung waren viel mehr Kinder, die merkwürdige Bindungsreaktionen zeigten als sicher gebunden klassifiziert worden.

Daraufhin konnte beispielsweise festgestellt werden, dass Jungen bei gleich schwerer Misshandlung häufiger in die stärker gestörte ambivalent-vermeidende (A/C)-Gruppe klassifiziert werden mussten als Mädchen.

Bindungsforscher fanden außerhalb der „Fremde-Situation“ in der Beobachtung alltäglicher Pflege- und Spielinteraktionen heraus, dass vernachlässigende Mütter ihre Kinder wenig stimulierten und wenig auf ihre Signale reagierten, d. h. sie traten nicht in eine „normale“ Beziehungsinteraktion mit ihnen. Misshandelnde Mütter hingegen gaben sich meist große Mühe, während sie zugleich die frustriertesten Kinder hatten. Das Interaktionsverhalten wirkte kontrollierend und gelegentlich irritierend auf die Kinder. Mütter die ihre Kinder adäquat versorgten und auch nicht wegen Vernachlässigung oder Misshandlung aufgefallen waren, wurden als überwiegend sensitiv und flexibel eingeschätzt.

Eine Forschungsgruppe fand heraus, dass als vernachlässigend eingeschätzte Mütter weniger variabel und weniger „echt“ interagierten als normale. Auch sprachen sie weniger in der Babysprache. Mütter, die als ablehnend eingeschätzt wurden, interagierten restriktiver und weniger zärtlich.

Dass die Säuglinge in den ersten drei Monaten noch als normal in ihrer Interaktion eingeschätzt wurden, widerspricht der Ansicht, dass insbesondere schwierige Säuglinge Opfer von Misshandlungen würden. Spätere Verhaltensauffälligkeiten müssten so als Folge und nicht als Ursache der Misshandlung betrachtet werden. Misshandelte Kinder werden so überwiegend zu schwierigen, vernachlässigte Kinder werden überwiegend zu schwierigen oder passiven Interaktionspartnern.

Die nachträglich geschaffene, besondere Klassifizierung der desorganisierten Bindung („D“- bzw. „A/C“-Bindung) bildet also häufig traumatisierende und/oder hochgradig inkonsistente Beziehungserfahrungen ab. In Normalpopulationen sind etwa 15 Prozent desorganisiert gebunden, in misshandelten etwa 82% oder mehr. Aber auch Kinder aus Multi-Problem-Familien oder von depressiven Müttern können einen dieser Bindungtypen entwickeln. Deshalb kann nicht regelhaft von einer desorganisierten „D“-Bindung auf das Vorkommen von Misshandlungen geschlossen werden.

Das Entwickeln einer nicht sicheren Bindung ist an sich noch keine Psychopathologie. Auch die vorhersehbaren Folgen einer unsicheren Bindung, wie weniger Phantasie im Spiel oder eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne, gelten natürlich nicht als Psychopathologie. Allerdings gilt die unsichere Bindung als disponierender Faktor. Stammen unsicher gebundene Kinder aus Hoch-Risiko-Gruppen, zeigen sie sehr häufig große Schwierigkeiten in Sozialverhalten und Impulskontrolle.

Eine Ausnahme bildet hierbei die Gruppe der desorganisiert gebundenen Kinder (D). Die ICD-10- und DSM-IV-Diagnose Bindungsstörung beschreibt genau diese Bindung von Kindern als pathologisch. Auch andere Diagnosen beziehen sich auf die Bindungtheorie:

  • Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (F91.1)
  • Emotionale Störung des Kindesalters|Störungen mit Trennungsangst des Kindesalters (F93.0)
  • Störungen mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (F91.2)

Die Bindungsforschung und die Bindungstheorie hat sich u. a. mit der Gruppe misshandelter und vernachlässigter Kinder genau auseinandergesetzt. Hieraus resultierte, dass „es mittlerweile als einer der empirisch am besten gesicherten Befunde der Entwicklungspsychologie gelten (kann), dass misshandelte Kinder ein gestörteres, insbesondere aggressiveres Verhalten im Umgang mit Gleichaltrigen zeigen als nicht misshandelte“. Diese Befunde sind für die gesamte Kindheit gesichert. Auch kann gesagt werden, dass die Folgen schlimmer sind, je früher die Misshandlung beginnt und je länger sie dauert.

Fortwährend misshandelte oder vernachlässigte Kinder zeigen neben der unsicheren Bindung mehr Probleme mit Gleichaltrigen und dem Lehrpersonal. Jedoch sind vernachlässigte Kinder insgesamt weniger aggressiv. Sie sind oft eher passiv und zurückgezogen.

Mit zwei bis sechs Jahren zeigen beide Gruppen laut Bindungstheorie u. a. weniger Einfühlsamkeit, reagieren auf den Kummer anderer mit Aggression, sind hypermotorisch, können sich nicht konzentrieren, sind unaufmerksam und geben schnell auf, sind distanzlos oder misstrauisch und zeigen weniger Neugier- und Explorationsverhalten und sind darum weniger intelligent. Am stärksten sind die vernachlässigten Kinder betroffen. Sie zeigen die wenigsten positiven Affekte und die geringste Impulskontrolle sowie die niedrigsten IQ-Werte.

Im Erwachsenenalter zeigen sich ähnliche Ergebnisse der Bindungstheorie. Erwachsene mit unsicher/gestörten Bindungsbeziehungen fühlen sich weniger sozial akzeptiert und sind erheblich depressiver. Auch zeigen sich die Folgen von Misshandlung im Erwachsenenalter durch Gewalttätigkeit, Drogenmissbrauch, Alkoholismus, Suizidalität, Angst, Depression und die Neigung zur Somatisierung.

Bei der Befragung von Frauen beispielsweise, die in ihrer Kindheit Opfer von Inzest waren, schätzten sich nur 14 Prozent als sicher gebunden ein, wohingegen 49% der Frauen in einer Kontrollgruppe sich als sicher gebunden einschätzten.

Aus den Ergebnissen der Bindungsforschung kann also gesagt werden, dass bestimmte Formen der Interaktion einen positiven wie negativen Einfluss auf die spätere Entwicklung haben können. So haben Missbrauch oder Vernachlässigung einen besonders negativen Einfluss, der häufig eine psychischen Störung auslösen kann.

Hingegen gelten aus Sicht der vorhandenen Forschungsergebnisse der Bindungstheorie stabile längere Bindungen in der Vergangenheit als wichtiger Schutzfaktor vor psychischen Störungen. Eine solche Bindungsbeziehung kann offenbar auch die Folgen von traumatische Erfahrung, wie sexuellen Missbrauch oder Misshandlung mildern.

Bindungstheorie: Der Bindungsbegriff innerhalb der Kindeswohl-Kriterien

Der Begriff des Kindeswohls ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff aus dem Familienrecht, d.h. er ist nicht streng, nicht abschließend oder nicht hinreichend vollständig definiert. Er bedarf deshalb der Auslegung bzw. Fixierung im Einzelfall. Es gibt viele Kennzeichnungen und Definitionsmerkmale sowohl positiver (was zum Kindeswohl gehört) als auch negativer Art (was Kindeswohl eher ausschließt). Sowohl die rechtlichen als auch die psychologischen Definitionen von Kindeswohl nehmen Bezug auf die Bindung des Kindes. Die rechtlichen Kennzeichnungen und Definitionsmerkmale des Kindeswohls sind nach Coester (1982/83) folgende:

  • Die Kontinuität und Stabilität des Erziehungsverhältnisses.
  • Die Bindungen des Kindes an seine Eltern und Geschwister – hier wird nach der Bindungsqualität und -intensität gefragt.
  • Die Haltung der Eltern und des Kindes zur Gestaltung der Beziehungen nach der elterlichen Trennung.
  • Der Wille des Kindes als Ausdruck seiner Selbstbestimmung und Ausdruck seiner Verbundenheit zum Elternteil oder beiden Eltern.

Der psychologischen Definition zufolge ist das Kindeswohl gewährleistet, wenn das Kind in Beziehungen und einem Lebensraum aufwachsen kann, die eine körperliche, emotionale und kognitive Entwicklung ermöglichen, welche das Kind dazu befähigt schließlich in Einklang mit den gegebenen Rechtsnormen und gesellschaftlichen Grundwerten für sein eigenes Wohlergehen zu sorgen.

Die sichere Bindung wird vor der unsicher-ambivalenten/unsicher-vermeidenden und der desorientiert/desorganisierten Bindung als für das Kindeswohl am günstigsten betrachtet und kann somit als Entscheidungskriterium für die Sorgerechtvergabe bzw. für oder gegen einen Sorgerechtsentzug gewertet werden. Eine Trennung des Kindes von seiner Bindungsperson bzw. seinen Bindungspersonen kann sowohl akute als auch langfristige psychische Folgen für das Kind haben. Eine gerichtliche Entscheidung, welche sich am Kindeswohl orientiert, soll dies berücksichtigen.

In der Praxis ist die Orientierung der Rechtsprechung an der bindungstheoretischen Forschung und Bindungstheorie jedoch durchaus nicht einfach. Festzustellen ist in diesem Fall, wer die primäre Bindungsperson ist, und es stellt sich die Frage, woran die Hierarchie der Bindungspersonen zu erkennen sei. Nach der Modifizierung der ursprünglichen Annahme Bowlbys in seiner Bidungstheorie von lediglich einer primären Bindungsperson ist davon auszugehen, dass sich ein Kind an mehrere Personen – im Sinne der Kriterien für Bindung – binden kann. Die Frage, an wie viele erwachsene oder ältere Personen sich ein Kind binden kann, ist hingegen nicht beantwortet.

Handelt es sich gar um einen Sorgerechtsentzug, ist auf dem bindungstheoretischen Hintergrund innerhalb der Bindungstheorie zu fragen, wie sich das Herausnehmen des Kindes aus seiner Ursprungsfamilie auf seine psychische Entwicklung auswirkt. Bowlby geht davon aus, dass sich der Bindungstyp innerhalb der ersten Lebensjahre eines Kindes manifestiert und eine große Stabilität bis ins Erwachsenenalter aufweist. Demnach werden frühe Bindungen zu Mitgliedern der Ursprungsfamilie als stärker und einflussreicher erachtet.

Es kann keineswegs prinzipiell davon ausgegangen werden, dass unsicher oder desorganisiert gebundene Kinder sich leichter und bereitwilliger von ihren Bezugspersonen trennen. Die Intensität der Bindung ist wiederum kein Indiz für eine gute Qualität der Bindung.

Neue Bindungstheorie: Die gute Qualität einer Bindung (sichere Bindung) kann gegebenenfalls bedeuten, dass das stabil gebundene, mit positiven Grundannahmen bezüglich seiner sozialen Umwelt ausgestattete Kind mit einer Trennung von der Ursprungsfamilie besser zurecht kommt. Dies bedeutet andererseits, dass Trennungen von den Bindungspersonen für unsicher gebundene und desorganisiert gebundene Kinder schwerer zu verkraften sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass neue Bindungen mit guter Qualität schwerer aufgebaut werden können.

Literatur zur Bindungstheorie

  • L. Ahnert (Hrsg.): “Frühe Bindung. Entstehung und Entwicklung.” Verlag Ernst Reinhardt, München 2004
  • K.H. Brisch, Theodor Hellbrügge (Hrsg.): “Bindung und Trauma. Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern.” Klett-Cotta Verlag, Ort unbekannt, 2003
  • Endres, Hauser (Hrsg.): “Bindungstheorie in der Psychotherapie.” Verlag Ernst Reinhardt, München 2002
  • K. E. Grossmann, K. Grossmann: “Bindung und menschliche Entwicklung. John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie.” Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003
  • K. E. Grossmann, K. Grossmann: “Bindung – das Gefüge psychischer Sicherheit.” Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004
  • J. Holmes: “John Bowlby und die Bindungstheorie.” Reinhardt Verlag, München 2002

Weblinks zur Bindungstheorie

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