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Wilhelm Reich

Wilhelm Reich, (* 24. März 1897 in Dobzau, Galizien; † 3. November 1957 in Lewisburg, Pennsylvania, USA) war Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe. Mit der von ihm ab 1934 entwickelten Vegetotherapie war er einer der wesentlichen Begründer der Körperpsychotherapie. Nach seiner „Entdeckung des Orgons“ 1940 bezeichnete Reich seine Lehre als Orgonomie.

Das Leben von Wilhelm Reich

Wilhelm Reich wurde 1897 als erster von zwei Söhnen des Gutsbesitzers Léon Reich und dessen Frau Cecilia geboren. Wilhelm Reich Geburtsort Dobzau, auch Dobrzanica, liegt im damals österreichischen Teil Galiziens, der Ort Jurinetz, wo Wilhelm Reich den Großteil seiner Kindheit verbrachte, in der Bukowina, dem damals östlichsten Teil des k.u.k. Österreich-Ungarn. Reichs Eltern waren zwar jüdischer Herkunft, hatten sich aber vom jüdischen Glauben gelöst, weshalb Wilhelm Reich keine religiöse Erziehung erhielt. Er wurde zuhause von Privatlehrern unterrichtet, bis er auf das Gymnasium von Czernowitz ging. Mit einem dieser Privatlehrer unterhielt Reichs Mutter zeitweilig eine intime Beziehung, die der etwa elfjährige Wilhelm aufdeckte. Seine Mutter verübte Suizid, als er vierzehn war; sein Vater wurde schwermütig und zog sich bald darauf – mehr oder weniger absichtlich – eine Krankheit zu, an der er 1914 starb. Der 17-jährige Wilhelm Reich musste nun die Leitung des Gutsbetriebs übernehmen, wurde aber 1915 durch einrückende russische Truppen zur Flucht gezwungen. Er trat der k.u.k. Armee bei und blieb bis zum Kriegsende 1918 im Militärdienst.

Wilhelm Reich

Wilhelm Reich ging anschließend nach Wien und studierte, nach einem Semester Rechtswissenschaften, Medizin. Er wurde durch ein Seminar zur Sexualität, das sein Kommilitone Otto Fenichel außeruniversitär organisiert hatte, auf Sigmund Freud und die Psychoanalyse aufmerksam. 1920, noch als Student, wurde er – eine große Ausnahme – in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen. Ohne jemals eine Lehranalyse abgeschlossen zu haben, praktizierte er mit kaum 23 Jahren als Psychoanalytiker und leitete von 1924 bis 1930 das Wiener Seminar für Psychoanalytische Therapie, wo man praktische Probleme der Behandlung systematisch erforschte. Aus den Diskussionen in diesem Seminar und aus einer konsequenten Weiterentwicklung der Freudschen Libidotheorie zur Orgasmustheorie (1927) gingen seine therapietechnischen Innovationen hervor: von der Widerstandsanalyse zur Charakteranalyse (1933), danach zur körperorientierten Vegetotherapie (1935) und in den 1940er Jahren zur Orgontherapie.

Wilhelm Reich heiratete 1921 in Wien eine ehemalige Patientin, die Medizinstudentin Annie Pink, die später ebenfalls Psychoanalytikerin wurde. Aus der Ehe, die bis 1932 dauerte, gingen zwei Töchter hervor: 1924 Eva und 1928 Lore. 1933 wurde die Balletttänzerin Elsa Lindenberg, die Reich in Berlin kennengelernt hatte, im skandinavischen Exil ohne formelle Eheschließung seine zweite Frau; sie blieb jedoch, als Wilhelm Reich 1939 nach New York emigrierte, in Norwegen. In den USA heiratete Wilhelm Reich Ilse Ollendorff, die ebenfalls aus Deutschland emigriert war. Diese Ehe, aus der 1944 der Sohn Peter hervorging, wurde 1954 geschieden.

Mit der Orgasmustheorie führte Wilhelm Reich ein Kriterium für psychische Gesundheit und also Therapieziel ein: die orgastische Potenz. Zugleich betonte er, dass dieses Ziel nur schwer erreichbar ist und die Neurose als Massenerscheinung ohnehin nicht durch Einzeltherapien zu beseitigen sei, sondern nur durch Prophylaxe. Sowohl wegen seiner Auffassung von psychischer Gesundheit als auch wegen der im Gebot der Prophylaxe implizierten politischen Konsequenzen geriet Reich schon um 1926 in einen schwelenden Konflikt mit Freud, der schließlich – ohne jede sachliche Auseinandersetzung – im August 1934 zu Reichs Ausschluss aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV) führte.

Seit Mitte 1927 hatte Wilhelm Reich außerdem, parallel zu seiner Arbeit innerhalb der Psychoanalyse, eine Synthese von Marxismus und Psychoanalyse (siehe: Freudomarxismus) auf theoretischer wie praktischer Ebene versucht. Er war 1930 von Wien nach Berlin gegangen, wo er der KPD beitrat und 1931 den Deutschen Reichsverband für Proletarische Sexualpolitik gründete, kurz: Sexpol. Auch diese Arbeit war so konfliktträchtig, dass er 1933, vor allem wegen seines Buches “Massenpsychologie des Faschismus”, aus der Partei ausgeschlossen wurde. Reichs Buch “Die Sexualität im Kulturkampf” (1936) enthält eine scharfe Kritik der rückschrittlichen Entwicklung in der Sowjetunion unter Stalin.

Im August 1939, kurz vor Beginn des Krieges, übersiedelte Reich mitsamt seines Labors nach New York, was nur möglich war, weil er einen Lehrauftrag an der New School for Social Research erhalten hatte. Dort hatte er Einfluss auf spätere Körperpsychotherapeuten wie Alexander Lowen und Fritz Perls, die insbesondere seine Erweiterung der psychoanalytischen „Redekur“ zu einem psychosomatischen Konzept schätzten. Wilhelm Reich hatte in den 1930er Jahren von dem damals zu den führenden Physiologen zählenden Friedrich Kraus das Konzept der „vegetativen Strömung“ übernommen und seine Charakteranalyse zur Vegetotherapie weiterentwickelt.

Parallel dazu hatte Wilhelm Reich mikrobiologische Forschungen durchgeführt und schließlich (1938) von ihm so genannte Bione gefunden, vesikuläre Gebilde im Grenzbereich zwischen Anorganischem und Organischem, die ihn schließlich zum Postulat einer spezifischen Energie (Orgon) führten. Diese Energie, die in speziellen „Orgonakkumulatoren“ konzentrierbar sei, sei die biophysikalische Grundlage für die Wirksamkeit seiner Therapie, wirke bakterizid und hemmend auf das Wachstum von Krebszellen.

Ein gerichtliches Verbot der Verwendung dieser Orgon-Akkumulatoren sowie die Verfügung, diese Geräte selbst sowie alle seine Bücher zu vernichten, wurde von Reich nicht akzeptiert, da es sich um eine wissenschaftliche Frage handele. Nachdem ein Mitarbeiter Reichs gegen die Anordnung des Gerichtes, Orgon-Akkumulatoren nicht über die Staatsgrenzen zu transportieren, verstieß, wurde Reich 1956 zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen „Missachtung des Gerichts“ verurteilt. Während der Haft starb Reich laut offizieller Verlautbarung an Herzversagen.

Reichs Arbeiten wurden als „Werbeschriften“ für den „Orgon-Akkumulator“ unter Aufsicht der FDA verbrannt. Die FDA bestand auf der Verbrennung aller Arbeiten Reichs, wenn in ihnen das Wort Orgon vorkam, oder, wenn nicht, wenn ihnen gedankliche Vorarbeit für die Orgonomie unterstellt werden konnte, d.h. fast alle publizierten Schriften Reichs.

Wilhelm Reich verfügte in seinem Testament, dass sein schriftlicher Nachlass erst fünfzig Jahre nach seinem Tode der Nachwelt zur Verfügung gestellt wird; die Dokumente wurden demgemäss im November 2007 von der Bibliothek der Harvard University Medical School für wissenschaftliche Studien freigegeben.

Reichs Werk

Oberflächlich betrachtet hinterließ Wilhelm Reich also ein sehr heterogenes Werk, das weit über die Grenzen der Psychologie oder Psychoanalyse hinausgeht: Auf der Makroebene ragen seine Arbeiten bis hinein in die politische Soziologie; auf der Mikroebene erstrecken sie sich über Biologie, Mikrobiologie bis hin zur Physik. Allerdings kann man seine Beschäftigung als jeweils logische und unmittelbare Konsequenz der zuvor erbrachten Ergebnisse aus Forschungsarbeiten betrachten, die bei der Frage nach dem Verständnis und der Therapie psychischer Beeinträchtigungen ansetzen. Der heute mögliche Gesamtüberblick über sein Lebenswerk lässt deutlich erkennen, dass ein roter Faden seine Arbeiten durchzieht. Reich beginnt als Psychoanalytiker, beschreibt sehr ausführlich das Vorhandensein der verschiedenen Abwehrmuster des Menschen (Charakterpanzerungen, zunächst psychisch, dann somatisch) und die Möglichkeiten ihrer Auflösung. Seine konsequente Verfolgung der energetischen Basis (was Freud Libido-Ökonomie nannte, aber nicht weiter verfolgte) führte ihn zur Frage, was denn eigentlich das Lebendige sei, zur Entwicklung der Sexualökonomie und schließlich zur „Entdeckung des Orgons“.

Seine besondere Aufmerksamkeit galt der Erforschung der Krebserkrankungen, seiner Meinung nach eine Erkrankung des gesamten Organismus, der eine gestörte Pulsation des Orgons im Körper zugrunde liege, die wiederum in der Unfähigkeit des Organismus wurzele, sich vollständig den vegetativen Zuckungen im Orgasmus hinzugeben. Diese Unfähigkeit, die orgastische Impotenz des Menschen bzw. ihre Behebung, ist ein Kernpunkt seiner Arbeit.

Zahlreiche Autoren, auch wissenschaftliche Kritiker, bestätigten, dass Reichs Werk durch Stringenz und Logik gekennzeichnet ist (Fragestellung, Forschung, Ergebnisse, neue Implikationen). Die sexuelle Revolution der 1970er Jahre hat sich kaum und wenn geschehen dann oft in Verkennung seiner Auffassung von Sexualität auf Reich berufen.

Kritik an Wilhelm Reich

Die Thesen Wilhelm Reichs provozieren oft ungewöhnlich heftige Reaktionen, seine Arbeiten polarisierten und polarisieren heute noch sehr stark. Die frühen Beiträge im Rahmen der Psychoanalyse, auch noch deren Weiterentwicklung zur Charakteranalyse, fanden noch breite Zustimmung, doch schon sein Postulat der orgastischen Potenz als Therapieziel traf auf Skepsis und, insbesondere bei Freud, auf Ablehnung. Die Fortentwicklung der Charakteranalyse zur Vegetotherapie, also die Begründung der Körperpsychotherapie, wurde von der Mehrzahl seiner Kollegen, innerhalb und außerhalb der Psychoanalyse, als Irrweg betrachtet.

Reichs Theorien bezüglich „Orgon“ wurden und werden von der akademischen Naturwissenschaft nie so ernst genommen, dass man sie überhaupt für diskussionswürdig und nachprüfbar erachtete. Sie werden gemeinhin als parawissenschaftlich betrachtet.

Albert Einstein, der 1941 privat Reichs Messungen an einem Orgonakkumulator überprüfte, konnte Reichs Postulat einer noch unerforschten Energieart nicht bestätigen. Er nannte ihm eine konventionelle Interpretation der beobachtbaren Phänomene und schrieb ihm: „Ich hoffe, dass dies ihre Skepsis entwickeln wird, dass sie sich nicht durch eine an sich verständliche Illusion trügen lassen.“

Im „Fall Reich“, das heißt hinsichtlich seiner Ächtung durch Freud und die organisierte Psychoanalyse, liegt noch immer eine unklare Faktenlage vor. Ebenso uneinheitlich sind die Einschätzungen seiner Leistungen; sie reichen heutzutage von der Aussage, er „habe einige wertvolle Beiträge zur Charakterforschung geleistet, ehe er schizophren oder zum Scharlatan geworden sei“, bis hin zu der Aussage Laings, der behauptete, es sei eine Neubewertung der Reichschen Theorien gerade in der Jugend im Gange, die selbst seine späteren Arbeiten zur Biophysik nicht mehr so leicht „ins Kuriositätenkabinett“ verweisen könnten. Je genauer er sich selbst mit den Arbeiten Reichs beschäftige, desto ernster nehme er sie. Aber auch in der akademischen Psychologie, in der sogar Freud nur noch als historische Figur geachtet wird, ist Reich allenfalls eine marginale Figur.

Neuere Rezeption

Reichs Theorien gerieten nach seinem Tod 1957 ziemlich schnell in Vergessenheit. Ein Jahrzehnt später wurde er von der Studentenbewegung wiederentdeckt. In der BRD war es Monika Seifert, die um 1964 die Kunde vom Werk Reichs aus England mitbrachte. Man las Reich zunächst nur als Freudo-Marxist und als Herold einer sexuellen Revolution. Reichs einschlägige Werke wurden zu Bestsellern unter den sog. Raubdrucken. Einige Jahre später entdeckte man Reich als Begründer der körperorientierten Psychotherapie und bald danach, mit dem Aufkommen der esoterischen New-Age-Bewegungen, auch als Entdecker einer von ihm in seinen späten Jahren postulierten „primordialen“ Lebensenergie Orgon. Unabhängig von dieser breiteren Rezeption hat sich seit 1967 in den USA das „American College of Orgonomy“ etabliert.

Reichs Orgontheorie wird gelegentlich mit anderen „alternativen“ Energiehypothesen, etwa denen Nikola Teslas, Carl Reichenbachs oder Viktor Schaubergers, sowie mit ostasiatischen Energielehren in Verbindung gebracht.

Die körperorientierten Psychotherapieverfahren gründen auf Reichs Ideen, wurden aber von Nachfolgern wie Alexander Lowen, später Gerda Boyesen und heute von verschiedenen Vertretern der Körperpsychotherapie so stark nach neuen Erkenntnissen in der Psychologie und der Neurobiologie modifiziert, dass die ursprünglichen Vorstellungen von Reich oft nur noch wenig Bedeutung haben.

Literatur

  • Wilhelm Reich: “Der triebhafte Charakter” (1925). In: “Frühe Schriften I”, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1977
  • Wilhelm Reich: “Die Funktion des Orgasmus” (1927). Revidierte Fassung: “Frühe Schriften II”, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982
  • Birgit Johler (Hg.): “Wilhelm Reich Revisited”, Turia + Kant, Wien 2008
  • Martin Konitzer: “Wilhelm Reich zur Einführung.” 2., überarbeitete Auflage. Junius, Hamburg 1992
  • Ilse Ollendorff-Reich: “Wilhelm Reich. Das Leben des großen Psychoanalytikers und Forschers, aufgezeichnet von seiner Frau und Mitarbeiterin.” Kindler, München 1975

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