Thea Schönfelder (* 16. März 1925 in Hamburg) ist eine deutsche Psychiaterin, und Hochschullehrerin. Sie war die erste Frau, die in Deutschland auf einen Lehrstuhl für “Kinder- und Jugendpsychiatrie” berufen wurde, wirkte als Ärztliche Direktorin des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und gilt als Pionierin von Familientherapie und Familienaufstellung.
Thea Schönfelder: Leben und Werk
Thea Schönfelder ist in Hamburg aufgewachsen, als Tochter des Präsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft, Adolph Schönfelder, einem der Väter des Grundgesetzes. Nach Medizin-Studium, Approbation und Promotion absolvierte sie 1957 die Ausbildung zur Fachärztin für “Nerven- und Gemütsleiden”, sowie für “Kinder- und Jugenpsychiatrie”. Ab 1958 arbeitete sie am UKE, 1966 habilitierte sie sich dort mit einer Arbeit über die Täter-Opfer-Beziehungen bei Sexualdelikten an Kindern. 1970 wurde sie auf den Lehrstuhl berufen, den sie bis 1987 innehatte.
Geschätzt wurde und wird Thea Schönfelder auch für ihr Engagement und die Zivilcourage, mit der sie in einigen kritischen Situationen deeskalierend wirken konnte. Ihrem Einsatz ist auch einerseits die Einrichtung einer Jugendlichenabteilung und andererseits die bauliche Adaptierung der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie am UKE zu verdanken. Ihre klinischen Schwerpunkte waren – damals innovativ – Familientherapie und konzentrative Bewegungstherapie (KBT). Diese Therapieform schätzte sie wegen der Chance, damit auch völlig erstarrte und verstummte Jugendliche zu erreichen – mit symbolbezogener Arbeit. Für eine Lehrstuhlinhaberin hat Thea Schönfelder vergleichsweise wenig veröffentlicht: „Ich denke, ich habe besonders durch die Arbeit mit KBT andere Prioritäten gesetzt. Mir war immer der Umgang mit Patienten – oder besser Klienten – wichtiger, als mich hinzusetzen und zu schreiben oder zu forschen.“ Ihre klinische Erfahrung gab sie in der Lehre weiter, innerhalb der Klinik und als Supervisorin auch außerhalb.
Von Virginia Satir, die Skulpturarbeit in die “Familientherapie” intergierte, übernahm Schönfelder den spielerischen Umgang mit Form und Haltung. Als Beispiel nennt sie den Satz “Ich häng’ an Dir”, den sie realistisch darstellen ließ. Rasch wurde den Beteiligten deutlich, dass eine derartige Beziehung für beide zur Belastung geworden war. In der Schönfelder’schen Familienskulptur stellt ein Betroffener die anderen Beteiligten derart auf, wie sie seiner Meinung nach “zueinander stehen”. Jeder bleibt schweigend kurze Zeit in der vorgegebenen Haltung und wird danach befragt, wie es ihm oder ihr in ihrer Position ergangen ist. Das Abfragen der persönlichen Wahrnehmung erfolgt in derselben Art und Weise, wie es später in Familienaufstellung und Strukturaufstellung üblich geworden ist. Danach können die Beteiligten spontan bessere Position wählen und werden erneut abgefragt. Letztendlich erfahren alle Familienmitglieder mehr über sich selbst und die anderen Mitglieder des “Systems”, dem sie angehören.
Als Thea Schönfelder ihre KBT-Ausbildung begann, war sie bereits Professorin und 48. Insbesondere für die Einzelarbeit mit psychotischen Jugendlichen erschien diese Form wertvoll: „Weil man unter Umständen gar keinen anderen Kontakt aufnehmen konnte, als über Berührung, über symbolische Bezüge.“ Im Fall einer notwendigen Entscheidung zum Beispiel, die bisher kognitiv nicht zu treffen war, gab sie dem betroffenen Jugendlichen mehrere Steine zur Auswahl, einen für die Position ”Ich kann nicht!” und einen für die Alternative ”Ich will nicht!” Durch das Benennen der Gefühle und die Bezugsetzung zueinander werden die Gründe für die Auswahl der einen und der anderen Position sichtbar und greifbar. Ein Stein ist kälter und schwerer. Der andere liegt gut in der Hand. Die Fokussierung der Wahrnehmung eröffnet rasch eine Lösung und die Entscheidung. War der Familienkontext wichtig, waren jedoch die meisten Betroffenen nicht anwesend, wählte Thea Schönfelder Holzfiguren zur szenischen Darstellung. Sie wurde damit – gemeinsam mit Kurt Ludewig – zur Erfinderin des Familienbretts.
Heute wird Thea Schönfelder von den Systemischen Strukturaufstellern Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer als eine wichtige Vorfahrin heutiger Aufstellungsarbeit gewürdigt. Anlässlich des 80. Geburtstages von Thea Schönfelder fand an ihrer früheren Wirkungsstätte ein akademischer Festakt mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt und Reinhart Lempp, Tübingen, statt. Die Geehrte selbst sprach über “Jugend im Alter”. Sie ist nach wie vor aktiv, sie singt in der Seniorenkantei St. Nikolai und leitet Fördergruppen für kreatives Schreiben. Lebenserinnerungen sind auch dort ein wichtiges Thema. Ihre Tochter lebt mit Familie in Sizilien und arbeitet dort als Psychotherapeutin.
Literatur
- “Die Rolle des Mädchens bei Sexualdelikten” Hamburg 1966; Enke, Stuttgart 1968
- “Die therapeutischen Möglichkeiten der KBT”, 1979
- “Körpererleben als Grundlage psychotherapeutischer Prozesse”, 1996
- “Über den KBT-Baum”, 1989
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