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Hysterie

Die Bezeichnung Hysterie (von griechisch hystera: Gebärmutter, verwandt mit lat. uterus) als psychologischer Fachbegriff für eine Neurose gilt inzwischen als veraltet und wurde im ICD-10 durch die Bezeichnungen dissoziative Störung (F44) bzw. Histrionische Persönlichkeitsstörung (F60.4) ersetzt – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass dem Begriff der Hysterie aus etymologischer Sicht eine Verbindung mit dem weiblichen Geschlecht sowie eine negative Bewertung anhaftet. Andere gebräuchliche Synonyme sind: histrionische Reaktion, Konversionsstörung, Konversionshysterie, Somatisierungsstörung (bei multiplen, häufig wechselnden körperlichen Syndromen), sowie psychoreaktives Syndrom.

Symptome der Hysterie

Traditionell wurde die Hysterie entweder durch ein vielfältiges körperliches Beschwerdebild ohne organische Grundlage charakterisiert, z.B. Gehstörung, Bewegungssturm, Lähmungen, Gefühlsstörung, Ausfall der Sinnesorgane wie z.B. Blindheit, Taubheit. Den Begriff der hysterischen Persönlichkeit prägte der bedeutende deutsche Psychoanalytiker Fritz Riemann. Demnach ist der Hysteriker einer von vier Grundtypen der Persönlichkeit.

Der Begriff „Hysterie“ erscheint unter anderem deshalb problematisch, weil ihm eine pejorative Bedeutung anhaftet, die mit der vorgeblich geschlechterspezifischen Bindung zusammenhängt, weshalb man heute eher den Begriff „Konversionsstörung“ für o. g. Symptome verwendet. Sehr lange wurde Hysterie sogar als eine ausschließlich bei Frauen auftretende, von einer Erkrankung der Gebärmutter ausgehende psychische Störung verstanden. Frauen, die unter Hysterie leiden, weisen diesem Krankheitsverständnis nach häufig bestimmte Persönlichkeitsmerkmale auf (ichbezogen, geltungsbedürftig, kritiksüchtig, unreflektiert etc.). Dies schlägt sich konkret noch heute in den Arzneimittelbildern der Homöopathie nieder.

Hysterie

Die Symptome der Hysterie wurden als subtiler Kampf gegen (männliche) Übermacht gedeutet. Die Pathologisierung und Behandlung ließen diese Verhaltensweisen einerseits als Krankheit gelten, gleichzeitig jedoch stellten sie die angegriffene Übermacht auf anderer Ebene wieder her. Dies kam beiden Seiten der Arzt-Patient-Beziehung, der Patientin und dem Arzt, entgegen.

Geschichte des Krankheitsbildes

Die Hysterie gilt als die älteste aller beobachteten psychischen Störungen. In den antiken Beschreibungen der Hysterie in altägyptischen Papyri wie bei Platon und Hippokrates wird die Ursache der Krankheit in der Gebärmutter gesehen. Konzeptionell ging man davon aus, dass die Gebärmutter, wenn sie nicht regelmäßig mit Samen (Sperma) gefüttert werde, im Körper suchend umherschweife und sich dann am Gehirn festbeiße. Dies führe dann zum typischen „hysterischen“ Verhalten.

Dem widersprach erstmals der englische Arzt Thomas Sydenham (1624-1689), auch Charcot und Sigmund Freud wiesen darauf hin, dass Hysterie nicht ausschließlich eine Frauenkrankheit sei.

Gängige ärztliche Behandlungsform der vermeintlich ausschließlich weiblichen Erkrankung war ab 15. Jahrhundert bis hinein ins 19. Jh. die Auslösung einer hysterischen Krise, des damals offiziell unbekannten weiblichen Orgasmus. In England wurden Mitte des 19. Jh. operative Maßnahmen angewendet: den Frauen wurde die Klitoris entfernt, d.h. die Genitalien wurden – wie heute noch in Afrika vielfach üblich, aber inzwischen international geächtet – verstümmelt. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. war auch die vollständige Entfernung der Gebärmutter üblich, medizinisch als Hysterektomie übersetzt. (Hystera: griechisch für Gebärmutter und -ektomie von ektemnô: herausschneiden).

Paul Julius Möbius definierte (1888) die Hysterie provisorisch als alle diejenigen krankhaften Erscheinungen, die durch Vorstellungen verursacht sind. Dies entsprach der allgemeinen Definition der Hysterie vor 1895 und erfasste praktisch einen Großteil aller psychischen Erkrankungen. Das Krankheitsbild war also sehr unspezifiziert und umfangreich. Übergeordnetes Merkmal der Hysterie war damals bereits das Fehlen somatischer Ursachen, welches heute allen psychogenen Krankheiten zugrunde liegt. So wurde sie im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert besonders häufig diagnostiziert.

Bezeichnenderweise führte auch Sigmund Freud Weg zur Psychoanalyse über die Hysterie, wobei sich Freud auf den Hysteriespezialisten Jean-Martin Charcot (1825-1893) berief. Charcot dokumentierte das Verhalten seiner Patientinnen ausführlich, auch mit den Mitteln der Fotografie. Seine Fotos zeigen eindrückliche Beispiele von Patientinnen, die sich in die Diagnose des Arztes hineinleben wie in eine Theaterrolle.

Später gab Freud zusammen mit Josef Breuer seine „Studien über Hysterie“ heraus, 1895 erstmals veröffentlicht, geschlossen editiert mit der Auflage von 1922. Diese Studien gelten allgemein als erste Werke der Psychoanalyse. Der Begriff „Hysterie“ wurde von Freud allerdings neu definiert, wobei er unter anderem den Begriff Konversionsneurose einführte, weil hier nach seiner Ansicht psychisches Leiden in körperliches konvertierte. Allerdings hat sich diese Umbenennung nicht durchsetzen können, zumal später erkannt wurde, dass nahezu jedes psychische Leiden körperliche Symptome hervorruft, die keineswegs „hysterische“ Merkmale aufweisen müssen. Als typische Prädiktoren für die hysterische Entwicklung sah Freud geistig leistungsfähige junge Menschen, die in einem anregungs- und bildungsarmen Familienklima aufwachsen und die einen Hang zur Tagträumerei (Breuer) aufweisen.

Ebenfalls auf diese beiden Wissenschaftler geht die Einführung ätiogenetischer Kriterien hinsichtlich eines krankheitstypischen psychischen Vorgangs zurück. Ihn aufzudecken sah Freud als das eigentliche Problem, denn er sei mit jenen Auskünften, die der Hysteriker freizügig erteilt, nicht zu erkennen. Es erschien so, als würde der Patient gerade diesen Vorgang verstecken wollen. Die später von Freud gemachte Entdeckung unbewußter Vorstellungsinhalte eigneten sich zur Entwicklung einer ätiogenetischen Erklärung sowie zur Entwicklung der Psychoanalyse als Form der Gesprächstherapie ohne Anwendung der Hypnose.

Noch bis 1952 wurde dieser Begriff als Sammelbegriff für eine Vielzahl nicht klar umrissener und ausschließlich weiblicher Beschwerden verwendet bis er von der „American Psychiatric Society“ aus der Liste der Krankheiten gestrichen wurde.

Heutiger Wissensstand

Heute gilt die hysterische alias histrionische Reaktion vor allem als eine Form der psychischen Konfliktlösung, die nicht unbedingt negative Folgen für den Betroffenen haben muss. Als wichtig hat die moderne therapeutische Forschung die Publikumsbezogenheit histrionischer Verhaltensweisen erkannt: Die meisten Symptome der Histrionischen Persönlichkeitsstörung entfalten sich erst bei Anwesenheit eines (oder mehrerer) Gegenüber. Mitunter aus diesem Grund werden in nicht-wissenschaftlichen Zusammenhängen nicht selten Simulanten, Phantasten und zu exaltiertem Auftreten neigende Menschen als „hysterisch“ bezeichnet.

Literatur

  • Georges Didi-Huberman: Die Erfindung der Hysterie. Die photographische Klinik von Jean-Martin Charcot. Paderborn: Fink 1997
  • Stavros Mentzos: Hysterie. Zur Psychodynamik unbewusster Inszenierungen. Frankfurt am Main: Fischer 2002
  • J. Danis, Hysterie und Zwang, 2. Aufl., München 1994

Weblinks

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