Nein, es geht mir eigentlich nicht nur um Wut, sondern um das Anerkennen der eigenen Empfindungen und Emotionen. Heute erreichte mich noch eine lange Mail einer Teilnehmerin, bei deren lesen mir – stellvertretend für sie – sprichwörtlich das Messer in der Manteltasche aufging. Bei mir zeigte sich die Wut und das Wehren-Wollen, das ich bei ihr nicht entdeckt habe. Dazu passend habe ich am Sonntag das Buch “Die Revolte des Körpers” von Alice Miller zu Ende gelesen. Und überall geht es um Emotionen, die im Körper feststecken.
Und die nicht gezeigt werden dürfen. Weil man das so anerzogen bekommen hat. Weil man gegen seine Nächsten nicht wütend sein darf. Weil man vielleicht aufgrund vieler Erfahrungen in seiner Kindheit nicht mehr so richtig spürt, welche Empfindungen in seinem Körper vergraben sind. Oder seinen Empfindungen nicht mehr traut und vertraut, weil diese in der Kindheit von den erwachsenen Bezugspersonen negiert wurden. Oder schlichtweg von diesen ignoriert wurden. Was nicht sein darf, ist nicht.
Wut ist gesellschaftlich nicht erlaubt, lieb sein ist gefordert
Und irgendwann steht man dann am Scheideweg. Das, was vielleicht im Körper abläuft, verselbständigt sich. In Autoaggression, physische oder psychische Krankheit. Und man kann und will nicht mehr. Hat aber gleichzeitig Angst, “den Deckel vom Topf” zu nehmen, weil man befürchtet, dass dann zu viel Druck (Wut) auf einmal rauskommt. Und es lieber sein lässt. Oder doch besser nicht? Oder vielleicht einen Weg findet, den Druck sukzessive aus dem Topf herauszulassen. Wieder an seine Empfindungen heranzukommen. Vielleicht Emotionen von Empfindungen zu entkoppeln. Und irgendwann auch wütend sein zu dürfen. Vielleicht auch gegen diejenigen, die das Leid verursacht haben und gegen die man eigentlich nicht wütend sein darf.
Einen kleinen Teil dazu können Aufstellungen beitragen. Je nachdem, wieviel Druck allerdings im Kessel ist, ist es manchmal besser, vor einer Aufstellung in einer anderen Umgebung schon mal behutsam ein bißchen Dampf abzulassen. Je mehr ich mich mit den körperlichen Vorgängen beschäftigen und in meinen Aus- und Weiterbildungen weitergehe, desto mehr achte ich auf diese Aktivierungen im Körper und desto mehr versuche ich, den Druck abzubauen. Ein möglicher Rahmen außerhalb der Aufstellungen bietet sich zum Beispiel auch bei meinem Coaching an. Hier geht es oftmals um diese Regulierungen und um das Druck ablassen, so dass wieder mehr Energie im System zur Verfügung steht und nicht für das “Deckel draufhalten” benötigt wird.