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Virginia Satir

Virginia Satir (* 26. Juni 1916, Neillsville, Wisconsin (USA), † 10. September 1988, Kalifornien (USA)) war eine der bedeutendsten Familientherapeuten. Oft wird sie auch als “Mutter der Familientherapie” bezeichnet.

Überblick

Bereits kurz nach dem Collegeabschluss als Lehrerin engagierte sie sich in der Eltern-Kind-Beratung und sammelte bei ihrer Arbeit im Sozialdienst viele Erfahrungen zum Thema Familie. Berufsbegleitend absolvierte sie an der University of Chicago ein Postgraduiertenstudium in Sozialer Arbeit. Da dieser Studiengang psychoanalytisch ausgerichtet war, unterzog sie sich auch einer Ausbildung in der Psychoanalyse, einschließlich einer Lehranalyse. Im Jahr 1951 kam ihr (im Rahmen der Arbeit mit einer schizophren erkrankten Patientin) erstmals die Idee, statt Einzelpersonen ganze Familien zu therapieren. Später bemühte sie sich bei ihrer therapeutischen Arbeit regelmäßig, den Mitgliedern einer Klienten-Familie im Rahmen sog. “Familienrekonstruktionen” die generationsübergreifenden Muster und die Problematik innerhalb des gesamten “Familiensystems” bewusst zu machen. Sie entwickelte weiter die gruppentherapeutische Methode der Familienskulptur”. 1959 wurde sie von Don D. Jackson und Jules Ruskin in das Gründungsteam des Mental Research Institut] in Palo Alto bei Stanford (Kalifornien) (USA) berufen und wurde mit der Leitung der Ausbildungsabteilung des Instituts betraut. Unter ihrer Leitung entstand das erste Familientherapeutische Ausbildungsprogramm der USA.

Virginia Satir war über die Vereinnahmung Ihrer Arbeit durch die Integration in die Neurolinguistische Programmierung (NLP) nicht glücklich und setzte ihre Arbeiten eigenständig fort. Ihr Gesamtwerk kennt am besten Jerry Weinberg. Er entschloss sich, nach über zehn Jahren Beschäftigung mit Neurolinguistische Programmierung direkt mit Virginia Satir zu arbeiten. Die letzten Jahre bis zu ihrem Tod arbeitete sie intensiv mit Jerry Weinberg und Jean McLendon zusammen.

Virginia Satir lehrte das Fach Familiendynamik am Illinois State Psychiatric Institute. Ihr wurde ein Ehrendoktorat der University of Wisconsin verliehen. Sie hielt bis zu ihrem Tod im Jahr 1988 weltweit Vorträge und Kurse.

Ihre Arbeit

Die Arbeit mit Familien, ab 1958 am “Mental Research Institute” wird ergänzt durch verschiedene Publikationen und Lehrtätigkeit, unter anderem ab 1963 auch am Esalen-Institut. Ihr systemisches Bewusstsein und die von ihr entwickelte Familienskulptur hat auch einen wichtigen Einfluss auf andere Therapieformen.

Noch heute orientieren sich viele Therapeuten an Virginia Satirs wegweisenden Aussagen zur Familientherapie. Psychische Probleme von Klienten werden innerhalb der Familientherapie nicht isoliert gesehen, sondern das Verhalten aller Familienmitglieder wird in die Betrachtung mit einbezogen. Durch Gespräche, “Familienaufstellungen” und eine Vielzahl kreativer Methoden kann dabei erreicht werden, allmählich die inneren Prozesse der Familie zu verstehen. Verborgene Strukturen und Bindungen werden erfahrbar. Das Geflecht der Beziehungen wird Stück für Stück entwirrt, so dass Verstrickungen gelöst werden können.

Die Systemische Familientherapie geht davon aus, dass bei den Mitgliedern einer Familie und in der Familie als Ganzer »Selbstheilungskräfte« vorhanden sind, die in der Therapie mobilisiert werden können. Somit wird es der Familie möglich, einen Großteil ihrer Probleme ohne beständige therapeutische Unterstützung zu lösen.

In den ersten 50 Jahren unseres Jahrhunderts und sogar z.T. bis heute war Psychotherapie eine Angelegenheit zwischen zwei Personen: Therapeut/in und Klient/in. Die Abstinenzregeln waren sehr streng, so dass es über lange Zeit kein Therapeut gewagt hätte, überhaupt Verwandte eines Klienten für ein gemeinsames Gespräch zu treffen.

Neben anderen war Virginia Satir wichtig bei der Herausbildung des sogenannten “Entwicklungsorientierten oder erlebniszentrierten Ansatzes” in der Psychotherapie. Konzepte aus dieser Richtung orientieren sich an der Humanistischen Psychologie, einem optimistischen Modell des Menschen und der Menschheit selbst: Die Vorstellung, dass der Mensch von Grund auf gut sei und in der Lage, die Schwierigkeiten des Lebens in einer Weise zu bewältigen, die auf Respekt und Liebe basiert, wenn der Betreffende die Möglichkeit hat, sich wirklich frei zu entscheiden.

In ihrem therapeutischen Ansatz ist der Selbstwert einer Person der Schlüssel aller Phänomene unseres geistigen und sozialen Lebens. Eine Person, die gelernt hat, sich wertzuschätzen, wird in der Lage sein, kongruent und klar zu kommunizieren und alle Probleme mit Respekt für die Freiheit des jeweils anderen zu lösen. Therapie wird in diesem Konzept gesehen als eine Möglichkeit, Menschen zu helfen, einen stabilen Selbstwert zu entwickeln, so dass sie es wagen können, ihre „wahren ‘Ja’s und wahren ‘Nein’s“ zu sagen; das bedeutet, zu sagen, was sie wirklich meinen und wollen, und nicht das zu sagen, von dem sie denken, dass es von ihnen erwartet werde.

Familienskulptur – Familienrekonstruktion – Aufstellungen für Familien

Die Familienskulptur ist eine von Virginia Satir entwickelten Technik in der Familientherapie. Klienten entwickeln dabei ein systemisches Verständnis über sich selbst, die Beziehungen zu anderen Menschen und über ihre Familienkonstellation. Beziehungen und Verhalten von Familienmitgliedern zueinander werden symbolisch dargestellt.

Die „Familienskulpturen“ sind als Familienrekonstruktion ein Bestandteil der Ausbildung von Familientherapeuten. Indem man seine Herkunftsfamilie “stellt”, werden unsichtbare Bindungen und “festgefahrene” Kommunikationsabläufe sichtbar. Beziehungskonflikte und krankmachende Bindungen können erkannt und gelöst werden.

Die Familienskulptur ist von der äußeren Form her leicht zu verwechseln mit dem “Familienstellen” nach Bert Hellinger. Beide Arbeitsweisen unterscheiden sich jedoch sowohl im Vorgehen wie auch in den Grundannahmen. Vor allem Hellingers Annahme natürlicher Rangfolgen, zum Beispiel nach dem Alter (in den “Ordnungen der Liebe”) deckt sich nicht mit Satirs Annahmen.

Virginia Satirs Anliegen war es, Menschen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihr “Grundpotential” nutzen konnten, und Wachstum und Frieden zu fördern. “Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt”.

Virginia Satir: Die menschliche Freiheiten

Ihre Grundhaltung drückte sie in den “Fünf Freiheiten” aus, zu denen sie ihren Patienten verhelfen wollte:

  • Die Freiheit zu sehen und zu hören, was im Moment wirklich da ist, anstatt das, was sein sollte, gewesen ist oder erst sein wird.
  • Die Freiheit, das auszusprechen, was ich wirklich fühle und denke, und nicht das, was von mir erwartet wird.
  • Die Freiheit, zu meinen Gefühlen zu stehen, und nicht etwas anderes vorzutäuschen.
  • Die Freiheit, um das zu bitten, was ich brauche, anstatt immer erst auf Erlaubnis zu warten.
  • Die Freiheit, in eigener Verantwortung Risiken einzugehen, anstatt immer nur auf “Nummer sicher zu gehen” und nichts Neues zu wagen.

Negative Kommunikationsarten

Virginia Satir hat sich intensiv der Kommunikation innerhalb der Familie gewidmet. Das von ihr entwickelte Kommunikations-Modell kennt vier sich negativ auswirkende Kommunikationsarten:

  • Beschwichtigen: “Ich mach’ immer alles falsch” Dazugehöriges Gefühl: “Ich muss jeden glücklich machen, damit er mich liebt”.
  • Anklagen: “Du machst nie etwas richtig” Dazugehöriges Gefühl: “Niemand schert sich um mich. Solange ich nicht herumbrülle, tut sowieso niemand etwas”.
  • Rationalisieren: “Ich muss den Leuten zeigen, wie klug ich bin. Logik und gute Gedanken sind das einzig Wahre”.
  • Ablenken: “Ich werde schon die Aufmerksamkeit bekommen, egal, wie extrem ich mich dafür aufführen muss”.

Einflüsse auf andere Formen der Psychotherapie

  • Die systemische Arbeit von Virginia Satir wurde intensiv von Richard Bandler und John Grinder studiert und für eine der drei grundlegenden Modelle im Neurolinguistische Programmierung eingesetzt.
  • Übungen aus dem Psychodrama von Moreno und das systemische Bewusstsein, das Fritz Perls durch Virginia Satir am Esalen-Institut kennen lernte, wurden wichtige Bausteine der Gestalttherapie und damit auch der Integrative Body Psychotherapy (IBP, s.u.).
  • Die systemische Therapie von Virginia Satir ist als Szenario in die IBP Integrative Body Psychotherapy von Jack Lee Rosenberg eingegangen. Das Ursprungszenario wird dazu verwendet, das Geschehen in der Familie zum Zeitpunkt der Geburt aufzustellen. Damit lassen sich “prägende Dynamiken” und “geheime Themen” (Secret Themes) und Tabus erkennen, die für die Persönlichkeitsentwicklung von Bedeutung sind. IBP legt als Form der Körperpsychotherapie besonderes Gewicht auf die Aufnahme des körperlichen Geschehens im Szenario und in der weiteren Entwicklung. Als einzige Form der Körperpsychotherapie verwendet IBP den systemischen Ansatz von Virginia Satir auch für den Aufbau von Ressourcen.
  • Die systemische Therapie von Virginia Satir hat Bert Hellinger in der Entwicklung des “Familienstellens” beeinflusst.
  • 1963 war Virginia Satir eine der ersten Lehrkräfte am Esalen-Institute (Human Potential Movement) in Kalifornien, (USA), wo sie mit Moshe Feldenkrais, Randolphe Stone (Polarity Therapy), Jakob L. Moreno (Psychodrama), Fritz Perls und Paul Goodman (Gestalttherapie), Milton Trager, und Alexander Lowen (Bioenergetische Analyse) zusammentraf.

Virginia Satir

Werke

  • Virginia Satir, James Stachowiak, Harvey A. Taschman: “Praxiskurs Familientherapie; Die Entwicklung individuellen Gewahrseins und die Veränderung von Familien” Junfermann, 2000
  • Michele Baldwin, Virginia Satir: “Familientherapie in Aktion; Die Konzepte von Virginia Satir in Theorie und Praxis Junfermann”, 1999
  • Virginia Satir, “Selbstwert und Kommunikation. Familientherapie für Berater und zur Selbsthilfe”, 2002
  • Virginia Satir, “Kommunikation. Selbstwert. Kongruenz. Konzepte und Perspektiven familientherapeutischer Praxis”, 1990
  • Virginia Satir, “Mein Weg zu dir – Kontakt finden und Vertrauen gewinnen”, München 1989
  • Virginia Satir, “Meine vielen Gesichter – Wer bin ich wirklich?”, München 1988
  • Virginia Satir, John Banmen, Jane Gerber: “Das Satir-Modell”; Junfermann

Weblinks

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Virginia Satir aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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